Mit der Errichtung des Erzbistums Hamburg und der Gründung des Bistums Magdeburg im Jahr 1994 wurde auch die Kirchenprovinz des Erzbistums Paderborn neu umschrieben. Das Bistum Hildesheim wurde ausgeschieden. Neu zu Fulda als Suffragan kamen 1995 die Bistümer Erfurt und Magdeburg hinzu. Auch der Kunstverein wurde den neuen Verhältnissen angepasst. Der „Verein für Christliche Kunst in der Kirchenprovinz Paderborn“, wie er nun hieß, erhielt eine neue Satzung, die Erzbischof Dr. Johannes Joachim Degenhardt am 26. August 1996 in Kraft setzte.7 Als neuer Vorsitzender wurde Ordinariatsrat Ulrich Berger aus Magdeburg gewählt, der sich für die Belange der christlichen Kunst in den Neuen Bundesländern besonders engagierte und tatkräftig die Umgestaltung des Vereins in Angriff nahm. Die erste Jahresgabe aus dem Jahr 1998 zeugt vom neuen Profil des Vereins, der neben der Präsentation von Bau- und Restaurierungsprojekten aus allen vier Bistümern nun auch den offenen Dialog mit der Kunst der Gegenwart führte. Dazu schrieb Rat Berger im Vorwort: „ Eine solche Diskussion wird sehr bald zeigen, dass die Grenzen zwischen „christlicher“ und „weltlicher“ Kunst fließend sind. Wenn beide sich aufeinander einlassen, wird Kreativität intensiviert, wird Kunst zur lebendigen Aussage für Mensch und Welt, … Kunst ist weder Selbstzweck, noch erbaulicher Zierrat. Kunst muß anregen, muß Anstoß erregen, darf die kontroverse Auseinandersetzung nicht scheuen. Unser Verein möchte zu einem solchen Dialog ermutigen …“.8 Leider hat Ulrich Berger nur die Anfangsphase des Vereins nach der Neuumschreibung erleben und gestalten können; viel zu früh ist er am 27. April 1999 bereits verstorben. Seine Nachfolge trat Propst Heinz Durstewitz aus Heiligenstadt im Bistum Erfurt an. Noch ganz im aktiven Dienst der Seelsorge stehend mußte Propst Durstewitz allerdings rasch erkennen, dass für die vielfältigen Aufgaben, die der Vorsitz des Vereins zusätzlich brachte, die Kapazitäten nicht ausreichten. Deshalb bat er um Entpflichtung vom Vorsitz des Vereins für christliche Kunst, dem Johannes Joachim Kardinal Degenhardt mit Schreiben vom 8. November 2001 entsprach.
Am 4. März 2002 wurde dann der Geistliche Rat Theodor Steinhoff aus Magdeburg vom Vorstand des Vereins einstimmig zum Vorsitzenden des Vereins gewählt. Mit Rat Steinhoff besitzt der Kunstverein einen engagierten überaus feinsinnigen, geistlich-kreativen Kopf, der die Geschicke des Vereins in den zurückliegenden Jahren umsichtig geleitet und wichtige Ideen und Anregungen eingebracht hat. In der Kreativität erweise der Mensch, so Steinhoff in seiner Antrittsrede im neuen Amt des Vorsitzenden, Gottes Ebenbildlichkeit in besonderer Weise: „Gott inspiriert die Künstler. In diesem Zusammenhang ist mir bewußt geworden, daß die Kirche in ihrem Stundenbuch um solch eine Inspiration betet. Sie würde es sicher nicht tun, wenn sie nicht fest davon überzeugt wäre, daß Gottes Geist auch heute schöpferisch und verschwenderisch wirkt.“ Das fordert auch von der Kunst und vom Umgang mit ihr Mut zur Verschwendung und Ekstase, zum ganzheitlichen Erfassen der Wirklichkeit mit allen Sinnen. „Kunst ist nichts als Verschwendung. Sie verträgt kein Verrechnen. Die Perlen in den Händen der Künstler sind geschenkt.“
Derart beseelt, mit solch großer Freiheit und Offenheit hat Rat Steinhoff den Verein in den zurückliegenden Jahren geleitet und ihn sicher in sein Jubiläumsjahr geführt. Zu Anfang des Jahres 2009 bat Rat Steinhoff um die Entpflichtung von seinem Amt.
Nun übernimmt Geistlicher Rat Theodor Ahrens, gerade verabschiedeter Hauptabteilungsleiter „Schule und Erziehung“ im Erzbischöflichen Generalvikariat, die Leitung des Vereins.
Die im Zweijahres-Rhythmus herausgebrachte Jahresgabe des Vereins bietet neben grundlegenden Beiträgen zum Verhältnis von Kunst und Kirche sowie Bau- und Kunstprojekten aus allen Bistümern der Kirchenprovinz auch freischaffenden Künstlern, die im Raum der Kirche arbeiten, ein Forum, sich mit ihren Werken zu präsentieren. Die Schriftleitung der Jahresgaben mit ihrem vielseitigen, breit angelegten Spektrum an Themen und Beiträgen liegt seit 1998 in den Händen des stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins Diözesanbaumeister i.R. Dr.-Ing. Peter Ruhnau, der, unterstützt von einem kleinen Redaktionskollegium, sich dieser Aufgabe mit Hingabe gewidmet hat.
Die Zusammenschau der zurückliegenden Jahre zeigt, welche Herausforderungen der Verein zu meistern hatte. Er ist dabei ein sensibler Seismograph: Wie sich das Verhältnis von Kunst und Kirche wandelt, so wandelt sich der Verein. Dabei ist die Arbeit heute keineswegs einfacher geworden. Dennoch ist der Verein gut aufgestellt, um zuversichtlich nach vorn zu schauen. Als ältester Diözesankunstverein in Deutschland verfügt er über ein Erbe, das trägt.
Anmerkungen
- Wilhelm Tack, Die Bestrebungen zur Hebung der kirchlichen Kunst im Erzbistum Paderborn seit 1800, in: AuNK Bd. 1, 1950, S. 5–22
- Franz Wüstefeld, Die Entwicklung des Vereins für Christliche Kunst, in: AuNK Bd. 37/38, 1998, S. 6–12
- Zu Alois Fuchs: Christoph Stiegemann, Domkapitular Prälat Dr. Dr. h.c. Alois Fuchs, in: Peter Klasvogt, Christoph Stiegemann, Priesterbilder. Zwischen Tradition und Innovation, Paderborn 2002, S. 186-188; Hubertus Drobner, Alois Fuchs (Lexikonartikel), in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 26 (2006) 327–341.
- Verzeichnis der Ausgaben der Zeitschrift „Alte und neue Kunst im Erzbistum Paderborn“ und ihrer Aufsätze Nr. 1 (1950) – Nr. 40 (2000) unter: www.eab-paderborn.org
- In: AuNK Bd. 26/27,1978/1979, S. 76–101
- In: AuNK Bd. 37/38, 1998, S. 171–173
- In: AuNK Bd. 37/38, 1998, S. 4 f
- In: AuNK Bd. 41, 2002, S. 8–11